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Gewerbestrom in sozialen Einrichtungen
Pflegeeinrichtungen haben hohen Energiebedarf; Einsparpotenziale durch Optimierung von Heizung und Warmwasser sind vorhanden.

Pflege- und Altenheime laufen im wahrsten Sinne „rund um die Uhr“. Das spiegelt sich in ihren Energiekosten wider – und zugleich in einem großen Einsparpotenzial. Ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zeigt: Stationäre Pflegeeinrichtungen verbrauchten 2022 im Mittel etwa 54–56 kWh Strom je m² bzw. ca. 2.900–3.036 kWh Strom je Bewohner:in. Der Wärmeverbrauch lag bei 135–139 kWh je m² bzw. ca. 7.500–7.750 kWh je Bewohner:in. Gegenüber 2021 sind die Verbräuche messbar gesunken, und auch im ersten Halbjahr 2023 setzte sich der Rückgang fort. Diese Zahlen sind über eine repräsentative Stichprobe von 122 Einrichtungen erhoben worden. BMG
Warum der Energiebedarf so hoch ist
Der Betrieb ist 24/7, die Belegung hoch – und die Gebäudetechnik muss zuverlässig Komfort und Hygiene sicherstellen. In Bewohnerzimmern und Gemeinschaftsflächen gelten höhere Komfortanforderungen als etwa in Büros; für Arbeitsplätze wird ein „behaglicher“ Temperaturbereich um 22 °C ± 2 °C zugrunde gelegt, in Pflegebereichen sind ähnliche oder höhere Sollwerte üblich. Das treibt den Heiz- und ggf. Kühlbedarf. DGUV Publikationen
Ein besonders großer Anteil entfällt auf Warmwasser und Heizung – unter anderem, weil die Warmwasserbereitung aus hygienischen Gründen nicht „kaltgefahren“ werden darf. Zur Legionellenprävention werden Betriebstemperaturen verlangt, die die Vermehrung der Keime unterbinden; ab ≈ 48 °C wird die Vermehrung gehemmt, ab ≈ 60 °C sterben Legionellen ab. Das begrenzt einfache Absenkstrategien und macht effiziente Systeme (z. B. Frischwasserstationen, zirkulationsoptimierte Anlagen) so wichtig. KrankenhaushygieneUmweltbundesamtLandesgesundheitsamt Stuttgart
Hinzu kommen: professionelle Großküchen und Wäschereien, Aufzüge, medizinische Geräte, Dauerbeleuchtung und Lüftung (auch infektionspräventiv), oft in Bestandsgebäuden mit Sanierungsbedarf. Branchenerfahrungen zeigen, dass Heizung und Warmwasser den größten Energieposten stellen – die Pflegeheim-spezifischen Kennzahlen aus dem BMG-Gutachten quantifizieren das Bild. BMG
Preisumfeld 2025: Was Einrichtungen beachten sollten
Der Strompreis setzt sich aus Beschaffung/Vertrieb, Netzentgelten sowie Steuern/Abgaben zusammen. Die Struktur gilt grundsätzlich auch für Gewerbekunden. 2025 fallen die Netzentgelte regional sehr unterschiedlich aus – sie reichen von unter 10 ct/kWh bis deutlich darüber und sind damit ein wesentlicher Hebel bei der Tarifwahl. Vattenfallt
Für ein Gefühl der Marktlage: Für Haushalts-Neukunden liegen Angebote im Schnitt um ~27 ct/kWh (brutto); Gewerbetarife variieren abhängig von Standort, Lastprofil und Abnahmemenge, sind aber von denselben Preisbestandteilen geprägt. Die Botschaft: Profilgenaue Ausschreibungen und regionale Netzentgelt-Unterschiede aktiv nutzen. VerivoxVattenfall
Harte Kennzahlen: Wo Pflegeheime heute stehen
Aktuelle Referenzwerte aus dem BMG-Gutachten für stationäre Pflegeeinrichtungen:
- Strom: ~54–56 kWh/m²·a bzw. ~2.900–3.036 kWh je Bewohner:in (2022/2021).
- Wärme (witterungsbereinigt): ~135–139 kWh/m²·a bzw. ~7.496–7.756 kWh je Bewohner:in (2022/2021).
Die Verbräuche gingen 2022 vs. 2021 um 3–5 % zurück; H1/2023 nochmals –4 % Strom und –7 % Wärme gegenüber H1/2022. BMG
Fünf praxisnahe Hebel für weniger Kosten – trotz Hygiene- und Komfortpflichten
1) Heizung & Warmwasser systematisch optimieren. Hydraulischer Abgleich, drehzahlgeregelte Pumpen, bedarfsgeführte Verteilung und kluge Zirkulationszeiten sparen viel – ohne Legionellenrisiko, weil Systemtemperaturen und thermische Desinfektionszyklen eingehalten bleiben. Die Temperaturfenster sind nicht verhandelbar, das Wie der Effizienz schon. Umweltbundesamt
2) Energiemanagement digitalisieren. MSR, Sensorik, Submetering und automatisierte Auswertung schaffen Transparenz über Zimmer, Etagen und Gewerke. Genau das fördert der Bund über die EEW (Modul 3) – Hardware und Software für Energiemanagement. BAFA+1
3) Gebäudehülle und Lüftung modernisieren. Dämmung, bessere Fenster, automatische Verschattung und bedarfsgerechte Lüftung senken Grundlasten spürbar – wichtig für Komfort (sommerlicher Hitzeschutz) und Heizkosten. Dena-Zielparameter zeigen, wohin Nichtwohngebäude Richtung 2045 steuern müssen. Deutsche Energie-Agentur50komma2
4) Eigenerzeugung & KWK prüfen. Photovoltaik auf Dach- und Carportflächen deckt Tageslasten (Küche, Wäscherei, Lüftung). Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) kann in Häusern mit hoher gleichzeitiger Strom- und Wärmeabnahme sehr wirtschaftlich sein; das KWKG 2025 und die BAFA-Merkblätter regeln aktuelle Zuschläge und Zulassungen, inkl. Wärme-/Kältespeichern. BAFA+2BAFA+2
5) Fördermittel systematisch nutzen. Für Technik, Hülle und Energiemanagement kommen u. a. EEW-Zuschüsse/Kredite (BAFA/BMWK) und BEG NWG / KfW-Programme in Frage. Die Richtlinien wurden 2024/25 aktualisiert; sinnvoll ist eine Projektskizze, die Maßnahmenbündel, CO₂-Effekt und Wirtschaftlichkeit zusammenbringt. BAFAEnergiewechselKfW
Fazit
Pflege- und Altenheime sind energieintensiv, weil Komfort, Sicherheit und Hygiene zu Recht höchste Priorität haben. Gerade deshalb lohnt sich eine strukturierte Strategie: Transparenz über Verbräuche schaffen, Heiz- und Warmwassersysteme optimieren, Hülle und Lüftung ertüchtigen, Erzeugung auf dem eigenen Gelände ausbauen – und konsequent Fördermittel nutzen. Die aktuellen Kennzahlen zeigen, dass bereits spürbare Reduktionen möglich sind; mit den seit 2025 gültigen Rahmenbedingungen (u. a. KWKG 2025, fortgeschriebene EEW/BEG) sind die Weichen gestellt, um Komfort und Hygiene zu sichern – bei deutlich geringeren Energiekosten. BMGBAFA+1
Quellenhinweise (Auswahl): Repräsentative Verbrauchsdaten stationärer Pflegeeinrichtungen (BMG/Curacon, 2023), Temperatur- und Hygieneanforderungen (DGUV/UBA/krankenhaushygienische Stellungnahme), Preisstruktur und Netzentgelte 2025 (Vattenfall/BDEW/Strom-Report), sowie Förder- und Rechtsrahmen 2025 (BAFA/BMWK/KfW).